CYBERGROOMING: Sexualisierte Täter auf allen Plattformen

Am Freitag, 17. Januar 2020 hat der Bundestag schärfere Regeln beim Vorgehen gegen Kinderpornografie im Internet beschlossen: Es ging dabei um die Versuchsstrafbarkeit. Bedeutet: Täter werden auch dann bestraft, wenn sie gar nicht mit einem Kind, sondern mit einem verdeckten Ermittler chatten. Ich habe mit dem Reportermagazin SAT.1 Akte darüber gesprochen, der Beitrag lief am 20. Januar 2020. 

cybergrooming

Cybergrooming. Was ist das eigentlich?

Unter Cybergrooming versteht man, wenn Erwachsene Kinder über Apps, soziale Netzwerke oder Onlinegames kontaktieren und versuchen, sie zu einer sexuellen Handlung zu animieren und / oder Nacktbilder zu tauschen.

Wen betrifft Cybergrooming und wo?

Betreffen kann es alle Kinder, die Apps nutzen, in denen kommuniziert wird, also Apps mit Chatfunktion. Dabei sind die Mechanismen beim Cybergrooming unterschiedlich und können auf allen Plattformen auftreten, die es erlauben, gemeinsam in Kontakt zu treten. Cybergrooming ist also nicht nur ein Phänomen, das soziale Netzwerke betrifft. Cybergrooming kommt auch und vor allem in Onlinegames vor. 

» Rund die Hälfte der Kinder von 6 bis 13 Jahren und 97 % der 12- bis 19-Jährigen besitzen bereits ein eigenes Smartphone. Quelle: KIM/JIM-Studien, 2018.

Ab wann sind Kinder gefährdet?

Kinder können dann gefährdet sein, wenn sie

  1. Eine Lese- und Schreibkompetenz haben und
  2. Online-Tools, also Spiele mit Chatfunktion oder soziale Netzwerke nutzen, in denen man untereinander kommunizieren kann

Wer sind die Täter?

Cybergroomer können mal ältere Täter sein, die sich an jüngere, minderjährige ranmachen. Cybergroomer können aber auch Menschen sein, die so genanntes Genderswapping machen. Heißt also: Der Täter gibt sich möglicherweise als gleichaltriger/es Junge/Mädchen aus, ist aber in Wahrheit erheblich älter und männlich. Und: Cybergrooming kann auch von Minderjährigen an Minderjährigen passieren. 

» 95 Prozent der tatverdächtigen Cybergroomer sind Männer, zwei Drittel sind unter 30 Jahre alt. Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik, 2018.

Was wollen Cybergroomer erreichen?

Beispiele: 

  1. Im ersten Step Kontaktaufnahme und das Vertrauen des Kindes. Gelingt im gemeinsamen Spiel recht gut, weil gemeinsames Spiel verbindet. Langfristige Ziele sind der Austausch von Bildmaterial und auch persönliche (reale) Treffen. 
  2. Auch gibt es Täter, die das Kind erpressen, und mit dem erpresstem Material weitere Fotos, Videos etc. einzufordern (sie drohen ansonsten, alles zu veröffentlichen, die Eltern zu informieren, o.a.)

Wo habe ich Cybergrooming erlebt?

Für meine Recherche als Kind im Netz bin ich unter anderem bei Instagram, Snapchat, Kik, younow, Quizduell, TikTok aber auch in Spielen mit dem Profil einer Minderjährigen unterwegs.

Alle Plattformen eint, egal ob Spiel oder Netzwerk, dass man sich austauschen kann. Bei vielen Plattformen kann man auch direkt Fotos tauschen. Das wiederum geht aber in einigen Spiele-Apps und bei Quizduell nicht. Dort haben mich potenzielle Täter angeschrieben und versucht, mich auf ein Netzwerk zu locken, bei dem es möglich ist, Bilder zu tauschen. Die Mechanismen sind da immer ähnlich und folgen einem relativ einheitlichen Prinzip:

1. Kontaktaufnahme

2. gemeinsamer Chat

3. Frage um Bildertausch oder Frage um Bildertausch auf einer Plattform wie Snapchat, Instagram o.ä.

4. Teilweise die “Bitte” der Groomer, meine Telefonnummer zu schicken, damit man über WhatsApp “in Kontakt bleiben” kann 

» Belästigungen starten meistens in Chats von Netzwerken und Onlinespielen, und verlagern sich dann in soziale Netzwerke (auch WhatsApp), um dort Bilder zu tauschen. ABER: Auch, wenn die Mechanismen beim Cybergrooming häufig ähnlichen Abläufen folgen, kann es auch anders von statten gehen.

Häufig machen Cybergroomer betroffenen Kindern viele Komplimente, schenken ihnen große Aufmerksamkeit und bieten teilweise auch Geld für einen Kontakt im realen Leben an. 

Cybergroomer tarnen sich teilweise auch, um vor dem Kind nicht direkt aufzufliegen. Mögliche Tarnungen sind zum Beispiel:

  • Modelagent / YouTube Agent
  • Fußballcoach o.ä.
  • Gleichaltrige

 

» Onlinespiele leben davon, dass Kinder mit anonymen Gegenspielern spielen. Das gemeinsame Spiel wird von den Tätern häufig dafür genutzt, an das Kind ranzukommen. Was ich selbst erlebt habe: “Wollen wir Nummern tauschen? Dann können wir uns immer verabreden und gemeinsam spielen, das war so cool heute!” 

Wie kann man Kinder vor Cybergrooming schützen?

Technik schützt vor Cybergrooming nicht. Und auch Kontrolle oder Verbot wird nachhaltig kein Schutz sein, weil Kinder älter werden und vielleicht mit 9 oder 10 noch sagen: “Ja, Mama, du darfst meine Nachrichten lesen!“, aber mit 11, 12 oder 13 Jahren bestehen sie natürlich – und verständlicherweise – auch auf ihre eigene Privatsphäre.

Wie kann man Kinder für das Problem sensibilisieren?

  • Gesundes Misstrauen lehren: Bei Apps und Plattformen mit Chatfunktion sollten Kinder aufgeklärt sein, dass sich auch unwahre Profile dort verbergen. 
  • Mit Kinder besprechen, dass sie keinen Kontakt zu Fremden aufnehmen sollten, auch, wenn man eine vermeintliche „Gemeinsamkeit“ hat – ein Spiel zu Beispiel. Gemeinsames Spielen schafft natürlich Vertrauen, doch wissen wir nie, wer am anderen Ende wirklich sitzt. 
  • Je nach Alter mit dem Kind darüber sprechen: Es ist möglich, dass dir etwas unangenehmes widerfährt, informiere mich, wenn es dazu kommt.
  • Kinder beim Einrichten von Spielen und Apps begleiten und sie bei den Sicherheitseinstellungen unterstützen: privat gestellte Accounts nutzen, sofern möglich, damit Fremde nicht uneingeschränkt Kontakt aufnehmen und private Informationen sehen können.
  • Dabei sein, präsent sein – auch mal mit dem Kind spielen, sich für das digitale Leben genauso interessieren, wie auch fürs reale.
  • Kindern klarmachen, dass sie ihre Standortdaten, Telefonnummer, Name und Adresse nicht teilen. Täter versuchen immer, die Kommunikation auf einen Dienst zu verlagern, in dem man Bilder tauschen kann. Z.B. WhatsApp.

Mein Kind ist von Cybergrooming betroffen:

Das Kind wurde Opfer von Cybergrooming? Jetzt ist Wut ein schlechter Ratgeber. Die Täter schaffen eine Drohkulisse, sie sind maximalst manipulativ, das Kind trifft hier nie eine Schuld. Kinder sind Tätern IMMER unterlegen. Daher: Ruhig bleiben aber auch nicht bagatellisieren, Beweise sichern und bei der Polizei Anzeige erstatten. Für Beratung steht auch das Hilfetelefon sexueller Missbrauch zur Verfügung: 0800-22 55 530 (kostenfrei und anonym).


Was sagt das Gesetz?

Deutschland: Verboten als besondere Begehungsform des sexuellen Missbrauchs, mehr dazu steht im Strafgesetzbuch § 176.

Österreich: Strafbar gemäß §208a Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen

Das Dunkelfeld wird beim Cybergrooming als hoch eingestuft. Umso wichtiger ist es, Cybergrooming zur Anzeige zu bringen. Das geht zum Beispiel auch über die Onlinewachen der Bundesländer, eine Liste gibt es hier beim BKA

Cybergrooming: eine Anzeige bei der Polizei ist aktiver Opferschutz, weil so mehr Kinder geschützt werden können!

Was tut die Politik?

Am Freitag, 17. Januar 2020 hat der Bundestag beschlossen, dass nun auch der bloße Versuch des Cybergroomings strafbar ist. Auch hat der Bundestag im März 2021 eine Reform des Jugendschutzes beschlossen. Die Politik sieht also, dass es einen aktualisierten Rechtsrahmen braucht, weil Kinder durch digitale Medien massiven, neuartigen Risiken ausgesetzt sind. Aber: Die Anbieter von Apps sollen künftig zwar selbst für mehr Jugendschutz sorgen, etwa durch prominentere Meldefunktionen, ob dies als Schutz-Maßnahmen ausreicht, bleibt jedoch abzuwarten. 

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