Digitale Schule? 

Auf meiner Instagram-Seite „Kinder digital begleiten“ folgen mir viele LehrerInnen. Das bekomme ich immer mal wieder in Kommentaren mit, meist aber eher durch (private) Direktnachrichten und E-Mails, die mir geschickt werden. Bei Instagram veröffentliche ich etwa alle zwei Tagen ein paar Fakten oder Ergebnisse aus meinen Recherchen, jeden Tag bedanken sich auch LehrerInnen, die das ein oder andere mit in ihren Unterricht nehmen. Von eben diesen LehrerInnen wollte ich wissen: Wie ist eigentlich die Situation an eurer Schule? Wie seid ihr ausgestattet? Welche Rolle spielen digitale Geräte für euch und die SchülerInnen? Und wie sind eure Erfahrungen mit (Cyber-)Mobbing?

 

digitale schule

Es sind komplexe Themen, jedes für sich. Auch sind die Berichte der Befragten absolut individuell und die Umfrage mit 20 TeilnehmerInnen nicht repräsentativ! Es zeigt aber einen kleinen Einblick dessen, wie diese LehrerInnen ihre Schulen im digitalen Kontext erleben.

Die Digitalisierung in unseren Schulen kommt zu spät, meine persönliche Meinung. Und damit meine ich nicht nur die Ausstattung in Bezug auf Geräte und Hardware, ich meine auch die Bildungsangebote für Kinder, Lehrer und Eltern. Natürlich gibt es Angebote von BMFSFJ, Klicksafe und Co. Ich habe mir alle Broschüren zum Thema auf all diesen Plattformen bestellt. Mein Stapel ist weit über 1 Meter hoch. Und da frage ich mich: Welcher Lehrer kann das alles Lesen? Und welcher Elternteil? Diese Angebote sind gut, versteht mich nicht falsch. Sie können unbedingt helfen, wenn man zu einem bestimmten Thema ganz konkrete Infos sucht. Aber für einen generellen, gebündelten Überblick in die Onlinewelt der Kids wird’s eben schwierig. Es ist zu viel Information, auch fehlt mir – wieder persönliche Meinung und Erfahrung, ich sag’s nur – die konkrete Kindersicht. Aber ich schweife ab, zurück zu unseren Schulen: 

Immerhin gibt es die Tendenz, dass Mediennutzung im schulischen Kontext an Bedeutung gewinnt. Yeah. So nutzen 43 % der Befragten sechs bis 13-jährigen Schüler ein- oder mehrmals pro Woche das Internet, um zu lernen (KIM-Studie 2018). Dürftig ist aber die Zahl derer, die Digital-Geräte auch im Klassenzimmer nutzen können. Die meisten Schulen sind noch mit (häufig veralteten) klassischen PCs ausgestattet, lediglich ein Drittel der befragten SchülerInnen nutzen eimal in der Woche den Schul-PC. Mobile Geräte kommen am wenigsten zum Einsatz – kein Wunder, wenn man an das Handyverbot vieler Schulen denkt, schlechtes oder gar fehlendes WLAN. Schüler aber wissen sich selbst zu helfen: So nutzt jeder zweite Schüler zwischen 12 und 19 Jahren bereis YouTube als digitales Leitmedium zum Lernen. Ich kenne das auch von meiner Tochter. Was sie nicht versteht, eignet sie sich in Tutorials an. Der Rat für Kulturelle Bildung hat in seiner repräsentativen Studie 800 SchülerInnen befragt – die Hälfte lernt ergänzend mit YouTube Videos. Was fehlt: Lehrer, die gute Tutorials empfehlen können. 

Was LehrerInnen berichten

Die LehrerInnen, mit denen ich gesprochen habe, arbeiten – bis auf eine Stimme – an deutschen Schulen (Grundschule, Förderschule, Gesamtschule, Gymnasium).

Was auffällt und jetzt auch nicht wirklich eine Überraschung ist: Ausstattung und Angebote variieren, von einer Top-Ausstattung berichtet mir jedoch niemand. Dennoch ist an vielen Schulen schon eine Menge Dynamik drin, hier und da geht’s auch digital vorwärts, mal in kleinen, mal in großen Schritten. 

Viele LehrerInnen berichten mir, dass sie „total hinterher sind” und „für Medienkompetenz und mehr digitale Geräte in den Klassen kämpfen”. Sie erstellen dann selbst Unterrichtsinhalte nach Feierabend, um die Kids in Sachen Medien zu begleiten.

Und dann gibt es die, die damit einfach wenig am Hut haben, keine Vorgaben im Lehrplan sehen, Medienkompetenz somit auch als „nicht so relevant“ einstufen, bzw. hier die Aufgabe bei den Eltern sehen.

Nun bin ich selbst Mutter und kenne somit auch im Privaten viele Erlebnisse aus Schulen, das bleibt nicht aus mit einem Teenager-Kind. Digitale Themen kommen da nur leider weniger vor, beziehungsweise: Am Smartphone der Kids, nicht aber in der Schule. Wobei es auch an unserer Schule Medienkompetenz-Abende gab, so ist das nicht. Es waren aber eben (zwei) einmalige Aktionen, die nicht nachhaltig begleitet wurden. Und was die Ausstattung angeht, steht hier und da ein Smartboard im Klassenzimmer, bedienen kann das aber kaum einer, also wird die klassische Tafel genutzt. Tablets sind Mangelware, allenfalls ein veralteter PC – oder ein Computerraum – stehen bereit. Geräte, die man Warten müsste, für die es eine Art „Hard Ware“ Hausmeister bräuchte –  Fehlanzeige.

„Wir bräuchten dringend eine bessere Ausstattung und Schulungen. Wir haben noch nicht mal einen PC-Raum, sondern lediglich 1–2 PCs in den Klassenräumen. Damit kann man aber keine Klassenstärke unterrichten. Außerdem bräuchten Lehrer einen Dienst-Laptop“, schreibt mir S., die wie alle anonym bleiben möchte.

Und eine Grundschullehrerin aus NRW berichtet mir: „Es gibt keine externen Medienpädagogen, wir bekommen auch keine extra Fortbildungen. Projektwochen finden meist zu anderen Themen und nicht im digitalen Bereich statt.“ Fehlende Fortbildungen sorgen dann auch dafür, dass “Kollegen aus dem Grund nicht an den Computer gehen, da sie fürchten, die Schüler könnten irgendwelchen Unsinn machen.“

Das klingt etwas ernüchternd, dem gegenüber stehen aber auch gute Erfahrungen:  

Eine Lehrerin, die als Sonderschullehrerin an einer Grundschule tätig ist, erzählt mir: „In allen Klassen gibt es Computer mit der Lernwerkstatt, an denen die Schüler arbeiten können. Zusätzlich gibt es einen Computerraum, in dem die Schüler in der 4. Klasse in Kleingruppen Computerunterricht haben. Neue Medien behandeln wir im Sachunterricht in der 3. Klasse. So lernen die Kinder Suchmaschinen für Schüler recht früh kennen, außerdem kann an den Klassen-Computern auch für den Unterricht recherchiert werden.“

Von „Thementagen gegen Cybermobbing ab Klasse 4, die im neuen Schuljahr als digitale Inhalte ab Klasse 1 einziehen werden“, berichtet eine Lehrerin aus Baden-Württemberg. Und auch eine Gymnasial-Lehrerin aus Hessen kann Positives berichten, da gibt es die „Digitalen Helden“, die schon an vielen Schulen praktiziert werden – hier coachen ältere SchülerInnen die Jüngeren.

Interessant fand ich den Einblick einer Pädagogin aus Österreich. Sie schreib mir: “Externe Personen zum Thema Medienkompetenz werden nicht eingeladen oder eingebunden, obwohl Eltern dies wünschen. Jedoch wird dies von der Direktion und einigen älteren LehrerInnen verweigert und blockiert.” Die Begründung: „In der Grundschule brauchen Kinder das nicht und das ist auch nicht unsere Aufgabe“.

digitale schule

Und was ist mit (Cyber-)Mobbing?

Auch auf meine Frage zu (Cyber-)Mobbing-Fällen gehen die Antworten WEIT auseinander. Eine Kölner Lehrerin, die Kinder ab Klasse 5 unterrichtet, beschreibt das Problem als Eklatant: “Mobbing ist im Schulalltag immer allgegenwärtig. Wo und wie es konkret anfängt, ist jedoch schwer zu beantworten.” 

Das größte Problem an ihrer Schule sei, „dass Kollegen wegschauen und indirekt den Mobbern damit die Legitimation für ihre Tat geben.“ Auch gäbe es „schwierige Schülerpersönlichkeiten, die es nicht annehmen oder reagieren, wenn man ihnen sagt: ,Hey, es ist nicht ok, dass du mobbst’“. Und so erlebt sie ihre Lehrer-Kollegen, wie diese „Angst davor haben, sich den Konflikten zu stellen.“

An ihrer Schule werden (Cyber-)Mobbing-Fälle nur in seltenen Fällen innerhalb der Schule gelöst, „da sich die Lehrpersonen dafür nicht verantwortlich fühlen“. Das birgt Frustpotenzial für die LehrerInnen, die sich engagieren und Probleme angehen.

“In meinem Alltag stelle ich immer wieder fest, dass es stark davon abhängig ist, welche Lehrerpersönlichkeit involviert ist oder sich eigenständig involviert. Weggucken ist da leider sehr häufig Taktik, weil Kollegen meinen, – und davon möchte ich mich ausdrücklich distanzieren- , dass diese Problematik keinen Platz in ihrer Unterrichtszeit hat.”

Dabei müsste ja gerade Mobbing im Schulalltag präventiv besprochen werden. Dies allerdings erfordert Zeit, die Lehrern nicht immer eingeräumt wird. “Das soziale Miteinander in der Auseinandersetzung zur Mobbingproblematik kann wirklich sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Und die ist aufgrund der äußeren Strukturen und anstehenden Überprüfungen manchmal sehr knapp. Doch wenn ich überlege, wie viel Zeit für irgendwelchen Irrsinn verplempert wird, ist es einfach an uns Lehrern, Zeit zu finden, um Gespräche zwischen Schülern leiten zu können. Damit wir Einzelne, denen es damit sehr schlecht geht, gut unterstützen können!” 

An dieser Stelle ein Tipp – für LehrerInnen, aber auch SchülerInnen und Eltern: Die Berliner Schüler Jan, Julius und Kai haben eine App entwickelt, die bei Mobbing hilft: exclamo. Damit können Mobbing-Opfer in der App Geschehnisse dokumentieren, sowie anonyme Nachrichten an Mentoren, Schulsozialarbeiter oder (Vertrauens-) Lehrer schicken. Sofern seelischer Support benötigt wird, steht ein Sorgentelefon zur Verfügung. Für Lehrer bietet die App gebündelte Materialien, um Mobbing präventiv zu begegnen. 

Übrigens: Die GrundschullehrerInnen mit denen ich sprechen durfte, hatten keine bis kaum Fälle von Mobbing zu berichten! Vielmehr beschrieben sie, dass Eltern Mobbing an ihren Kindern sehen, obwohl es noch kein Mobbing ist, vielmehr einfach Streit unter Kids.

Und eine Gymnasiallehrerin aus Hessen berichtet von zwei ihr bekannten Mobbingfällen – beide aber konnten in der Schule gelöst werden.

Apropos Eltern …

Wissen wollte ich, wie die befragten LehrerInnen, die Elternschaft wahrnehmen. Wie ist das Interesse von Eltern? Denn Eltern können, sofern sie sich zusammenschließen, natürlich auch etwas bewegen an der Schule ihrer Kinder!

Auch hier bekam ich verschiedene Antworten. Von „Es herrscht kein Interesse an digitalen Themen“ bis hin zu: „Ja, die Eltern sind sehr besorgt.“

Erschreckt hat mich dann aber doch die Aussage eines Lehrers: „Die Eltern haben definitiv Interesse an Medienkompetenz, die Schule blockiert dies aber leider.“

Wie gesagt: Das sind individuelle Erlebnisse von PädagogInnen. Das stellt kein Gesamtbild dar, die Einblicke sind – wie das Thema selbst – absolut individuell.

Nun würde ich mal behaupten: LehrerInnen, die bei Instagram sind und die, die mir bei „Kinder digital begleiten“ folgen, haben einen Zugang zur Onlinewelt. Es ist aber die eigene, erwachsene Online-Welt. Die der Kinder ist nun mal anders, weil Kinder andere Dienste, Apps, Spiele nutzen. Und von diesen Diensten und Apps berichte ich bei Instagram und in meiner Facebook-Gruppe. 

Natürlich aber brauchen Lehrer auch den Support von ganz oben – ihren Vorgesetzten, des Kultusministeriums, des Bundeslandes, Unterstützung aus dem Kollegium und von Eltern, um Digital-Themen voranbringen zu können. Und: die Politik, die den Weg dafür ebnet. 

Was wünschen sich diese LehrerInnen?

„Erstmals sollten Lehrer geschult werden“, schreibt eine Lehrerin aus Hessen. „Manche haben überhaupt keine Ahnung davon. Wir brauchen eine bessere Ausstattung, Workshops im Schulalltag und Fortbildungen.“ Letzteres wünscht sich auch eine Lehrerin aus Ba-Wü: “Wir benötigen mehr handlungsorientierte Fortbildungen, um skeptische Kollegen von der Einbindung digitaler Medien zu überzeugen und so den Kindern den Erwerb der Medienkompetenz in der Schule zu erleichtern – beziehungsweise, um diesen überhaupt erst zu ermöglichen.“

Der Digitalpakt ist beschlossen, über 5 Milliarden Euro für die technische Ausstattung an Schulen werden fließen – auch, wenn das noch etwas dauert. Nun ist das aber nicht so, dass jede Schule automatisch ausgestattet wird, die Schulen müssen diese Gelder beantragen, das funktioniert unter Vorlage eines technisch-pädagogischen Konzepts. Die Bundesregierung spricht von einem sogenannten Medienentwicklungsplan. Auch müssen Lehrer geschult werden, diese Aufgabe hat der Bund an die Länder übertragen. Denn ohne qualifizierte Lehrkräfte, nutzen all die Geräte nichts. Es braucht also Fortbildungen und Digital-Coaches für Lehrer. Unterricht ist eben nicht digital, nur weil da ein Tablet liegt. In Bayern läuft derzeit ein tolles Pilotprojekt. 135 Schulen setzen Smartphones und Co im Unterricht ein, für alle gibt es WLAN Voucher bei Bedarf, Lehrer werden an Tablets und Smartboards geschult, spezielle Beratungslehrer kümmern sich um das Thema Mobbing. Und für SchülerInnen und Eltern gibt es ein gutes Angebot an Elternabenden mit externen Referenten. Das ist großartig! 

Was auch großartig ist: Im Gespräch sagten alle befragten LehrerInnen: Sie wollen etwas verändern, sie wollen die digitale Schule und altersgerecht digitale Inhalte vermitteln!

Bis dahin: unterstützen wir als Eltern dabei! 

Angebot für LehrerInnen: Digitale Helden I Digital Education Day 2019 in Köln 

Informationen der Bundesregierung: Digitalpakt Schule

 “Kinder digital begleiten” bei Instagram I Kostenlose Facebook-Gruppe 

JETZT GRATIS ANMELDEN
Geben Sie Ihre Email Adresse ein und klicken Sie auf den Knopf "Sofort Zugang erhalten".
Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden, damit ich dir den Newsletter auch schicken kann. Natürlich werden deine Daten nicht an Dritte weitergegeben. Mehr dazu steht in meiner Datenschutzerklärung: https://www.minimenschlein.de/datenschutz/

3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Liebe Leonie, vielen Dank für diesen Einblick. Meine Schwester und ich lesen seit einiger Zeit jeden Post in der Facebook Gruppe. Meine Kinder sind noch kleiner aber meine Patenkinder im Grundschulalter (Linus geht ab Herbst in die weiterführende Schule). Wir haben uns für ihre Kinder auch schon viele Heftchen runtergeladen. Aber so viel wie in deiner Gruppe haben wir noch nicht erfahren. Ich möchte ein Danke für dich hier lassen. V.W.

    Antworten
  • Eine Lehrerin
    3. Juni 2019 20:56

    Danke dass ich mitmachen durfte und meine Erlebnisse mitteilen konnte!

    Antworten
  • Lehrerin aus NRW
    4. Juni 2019 9:08

    Vielen Dank erstmal für deine Recherchen unf informativen Texte zu diesem so wichtigen Thema!
    Ich sehe und erlebe es leider auch so, dass die digitale Schule gerade erst in den Startlöchern steht und es noch lange dauern wird, bis Inhalte selbstverständlich über die Einbindung digitaler Medien vermittelt werden.
    Viele Schüler sind den Lehrern so viel voraus.
    Ebenso ist das Cybermobbing so allgegenwärtig. Es muss unbedingt thematisch in den Unterricht eingebunden werden. Es wird noch viel zu sehr weggeschaut und vor allem nicht ernst genug genommen – so sind zumindestens meine Erfahrungen.
    Wie wunderbar, dass du auf dieses Thema mit deinem Profil aufmerksam machst!!!

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.

Malcare WordPress Security