Die Kinder der Utopie: Kinotipp

Den 15. Mai solltet ihr dick in euren Kalender eintragen, dann nämlich finden bundesweit Aktionsabende in Kinos statt. Die zeigen einen wunderbar-berührend-ehrlichen Film: DIE KINDER DER UTOPIE. Sechs junge Menschen sind die Protagonisten dieser Dokumentation, drei von ihnen haben eine Behinderung, drei von ihnen keine. Sie haben gemeinsam die Schulbank gedrückt, jeder für sich von der Inklusion gelernt und profitiert. Warum ihr diesen Film unbedingt sehen solltet erzählen Tina Sander und Lia Gänzler von mittendrin e.V.:

die kinder der utopie

“Für sie ist Vielfalt die Normalität”

Leonie: Mit dem Film „Die Utopie der Kinder“ zeigt ihr am 15. Mai bei bundesweiten Aktionsabenden eine sehr berührende Dokumentation, bei der sechs junge Erwachsene auf ihre gemeinsame Grundschulzeit in einer Inklusionsklasse zurückblicken. Es ist der zweite Film zum Thema, bereits vor 12 Jahren wurden die Kinder dokumentiert – damals noch zu Grundschulzeiten. Was erwartet die Zuschauer im neuen Film? 

Mittlerweile sind aus den Schüler*innen junge Erwachsene geworden. Sie berichten, welche Hürden sie im Leben zu meistern hatten, vor welchen Herausforderungen sie stehen und welche Entscheidungen sie zu treffen haben. Die Lebensaufgaben sind bei allen ähnlich – und unabhängig davon, ob sie nun eine Behinderung haben oder nicht: Liebe, Ablösung von den Eltern, Berufsfindung oder Glaube sind wichtige Themen für die jungen Menschen. Vor allem wird in dem Film von Hubertus Siegert deutlich, was eine inklusive Schulzeit den jungen Erwachsenen fürs Leben mitgegeben hat: Mit welcher Selbstverständlichkeit und wie viel Respekt sie sich begegnen, wie selbstbewusst sich die ehemaligen Schüler*innen mit Förderbedarf Räume erobern und wie reflektiert sie auf ihre gemeinsame Schulzeit zurück blicken. Für sie ist Vielfalt die Normalität – und darum geht es ja bei der Inklusion.

Das Besondere an dem Film ist, dass er dabei ohne erhobenen Zeigefinger oder die Meinung von Expert*innen auskommt, sondern die zu Wort kommen lässt, die Inklusion direkt erlebt haben. Es werden keine Dramen inszeniert, sondern behutsam das Leben gezeigt – heute und im Rückblick auf die Schulzeit.  

„Die Kinder der Utopie“ zeigt sehr berührende Momente – wie war das für euch, die ganz tief im Thema drin sind: Was hat euch am meisten bewegt? 

Am beeindruckendsten war zu sehen, dass da wirklich keine Verkrampftheit, keine Betulichkeit, keine Herablassung im Umgang miteinander ist. Diese jungen Menschen haben das einfach verinnerlicht, dass Verschiedenheit kein Grund ist, die Nerven zu verlieren! Für sie gehört Vielfalt einfach dazu, es wird kein großes Aufheben darum gemacht. Jede*r ist so, wie sie/er ist – und Teil einer Gemeinschaft.

“Es ist leider oft noch so, dass angenommen wird, Inklusion kommt nur den behinderten Kindern zugute”

Ist es für euch verständlich, das man sich heutzutage noch für Inklusion stark machen muss? Irgendwie sollte das doch ganz natürlich sein … 

Sollte – ja! Ist es für viele Menschen aber leider immer noch nicht. Umso mehr freut es uns, wie viele Menschen den Aktionsabend mit ganz viel Herzblut und Engagement unterstützen und so erst diese bundesweite Verbreitung möglich machen! Es ist leider oft noch so, dass angenommen wird, Inklusion kommt nur den behinderten Kindern zugute. Dass jeder davon profitiert und wir als Gesellschaft auch, das ist noch nicht überall angekommen. Vielleicht liegt es daran, dass in Sachen Bildung in Deutschland lange Zeit Wert auf Homogenität gelegt wurde und der Gedanke fest verankert ist, dass man besser lernen kann, wenn in einer Klasse möglichst gleiche Schüler*innen sind. Dabei steht Inklusion dem Lernen nicht im Wege, im Gegenteil. Die Verschiedenartigkeit einer Klasse ist für die Leistungsentwicklung nicht entscheidend. Zusätzlich werden Empathie, Rücksichtnahme, Teamarbeit und Sozialverhalten gestärkt – alles Eigenschaften, die auch in der Arbeitswelt zunehmend wichtiger werden. Abgesehen davon ist Inklusion ein Menschenrecht und ja, es ist schade, dass man dafür noch einstehen muss.

Gibt es konkrete Anfeindungen gegen Inklusion, die euch einfallen? 

In unserer Arbeit erleben wir immer wieder eine geradezu toxische Rhetorik, wenn es um das Thema inklusive Bildung geht: Da wird Inklusion „mit der Brechstange durchgesetzt“ oder „vor die Wand gefahren“. So entsteht ein Bild, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung als Belastung zeichnet und die Inklusion als Zumutung, als Chaos, ja sogar als Ideologie. Das ist sehr gefährlich und einer konstruktiven Diskussion darüber, wie wir das menschenrechtliche Ziel der Inklusion erreichen können, abträglich. Mir der Kampagne rund um den Film DIE KINDER DER UTOPIE wollen wir wieder in einen lösungsorientierten Dialog kommen. Wir wollen keine Grabenkämpfe führen, sondern zeigen, was Inklusion kann.

die kinder der utopie

Wie kam es zum Titel des Films – haltet ihr Inklusion in Deutschland für Utopie? 

Den Titel hatte der Regisseur Hubertus Siegert schon gewählt, bevor wir ins Boot kamen. Er baut aber eine sehr schöne Spannung auf: Denn die ehemaligen Kinder und ihre Erfahrungen sind ja ganz real. Wie es die Publizistin und Schriftstellerin Barbara Sichtermann sehr schön als Reaktion auf den Film formuliert hat: „…es zeigt sich, dass ein Aspekt der Inklusion aus der Hoffnung in die Wirklichkeit übergesprungen ist.” 

Wo können Interessierte erfahren, ob der Film in ihrer Stadt läuft? 

Ganz einfach – unter diesem Link finden Interessierte eine Übersicht über alle geplanten Veranstaltungen in ganz Deutschland. Dort kann man auch sehen, wer die Patenschaft für die jeweilige Veranstaltung übernommen hat und wie man an Karten kommt.

Es wäre wunderbar, wenn wir es schaffen, dass am 15. Mai, dem Aktionsabend, in ganz Deutschland über Inklusion gesprochen wird. Bei fast allen Vorführungen gibt es im Anschluss Gesprächsrunden, in denen sich rund um das Thema ausgetauscht werden kann.

Man spürt in jeder Zeile euer Herzblut für eure Arbeit, danke fürs Interview! Schaut auch unbedingt noch den Trailer an:

die kinder der utopie film

Fotos: Beitragsbild Marvin und Johanna © M. Bothor; Klassenfoto (aus 2004) © Wolfgang Borrs I Bild Mitte: Lorenz Fischer, Hubertus Siegert, Thomas Schneider © Josephine Links

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