Das schlechte Image des Kaiserschnitts 

Heute las ich bei Twitter den Tweet einer Mutter, die berichtete, man habe in der Kita einer Elterninitiative im Bewerbungsgespräch gefragt, ob das Kind natürlich entbunden wurde oder per Kaiserschnitt kam. Letzteres sei nämlich ein deutlicher Unterschied, was die Bindung betrifft. Mich trifft so etwas. Weil viele Menschen einfach urteilen, die wenigsten aber nach den Gründen fragen. Ich habe zwei Kinder und ich hatte zwei Kaiserschnitte.

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Das schlechte Image des Kaiserschnitts 

Ich möchte mal behaupten, dass es der Wunsch einer jeden Mutter ist, ihre Kinder natürlich zur Welt zu bringen. Es gibt Ausnahmen, wie etwa das Beispiel von Dr. Annette Pawlu zeigt – sie hat ihre Drillinge per Wunsch-Kaiserschnitt zur Welt gebracht – was ich bei Drillingen sehr nachvollziehen kann – Pawlu stieß jedoch zusätzlich auf Kritik, weil sie sich direkt nach der Operation auch noch den Bauch straffen ließ. Für letzteres fehlt mir zwar das Verständnis, aber „so what“ – jeder so, wie er mag. Mein After-Baby-Body war nicht straff und ist es bis heute nicht und im übrigen war es mir auch wurscht.

„Ich hatte einen Kaiserschnitt. Und noch einen“

Was bei einem Kaiserschnitt immer so ein bisschen mitschwingt, ist dieser unausgesprochene Vorwurf, Frauen, die sich für einen Kaiserschnitt entscheiden, machen es sich einfach. Wer sein Kind oder seine Kinder natürlich zur Welt bringt, vollendet hingegen hingebungsvoll die Schwangerschaft und begleitet, geleitet, das Baby sanft in unsere Welt. Und dann ist da noch die Frage der Bindung: Kann ein Kind, das per Kaiserschnitt zu Welt kam, ein ebenso festes Band zur Mutter entwickeln wie ein Kind, das natürlich geboren wurde? 

Ich war 24, als ich mit meiner ersten Tochter Schwanger war. Ich hatte Ängste vor der Geburt aber ich hatte kaum jemanden, mit dem ich mich darüber austauschen konnte – oder wollte. Dennoch war für mich klar, dass ich natürlich gebären werde.

In der Nacht auf den 8. November 2003 platzte meine Fruchtblase und wir fuhren ins Krankenhaus. Etwa acht Stunden später kam meine erste Tochter zur Welt.

Als ich sie das erste Mal sah, trug sie einen weißen Strampler, ein weißes Jäckchen und eine weiße Mütze. Sie war gewaschen und angezogen, weil es zum Geburtsstillstand gekommen war. Ärzte und Hebammen haben so etwas immer im Blick, ich fühlte mich in Zehlendorf im Krankenhaus sehr gut aufgehoben. In weniger als einer Minute musste ich jedoch die Kontrolle über die Geburt abgeben. Die Sauerstoffversorgung war nicht mehr gewährleistet, sehr schnell füllte sich der Kreißsaal mit vielen Menschen, die sich mir vorstellten. Nach einer Minute lag ich in Narkose und im OP-Saal. Ich hatte einen Notkaiserschnitt.

In den Tagen danach ging es mir nicht gut. Ich hatte mich nicht damit auseinandergesetzt, was der Körper nach der Geburt macht und schon gar nicht, wie es einem Körper nach einem Kaiserschnitt geht. Ich hatte immer nur bis zur Geburt gedacht, das war mein wichtigster Meilenstein. Danach würde schon alles irgendwie werden. Wurde es auch, aber es war schmerzhaft. Einen Tag nach der Geburt bekam ich eine Physiotherapeutin an die Seite gestellt, die mit mir das Laufen wieder übte und mir zeigte, wie ich aufstehen konnte.

Dieser Notkaiserschnitt beschäftigte mich zehn Jahre in meiner zweiten Schwangerschaft erneut. Aufgrund meiner vielen Fehlgeburten war ich ohnehin ärztlich engmaschig überwacht und hatte eine Risikoschwangerschaft. Es gab ein paar Faktoren, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte, jedenfalls sagten mir mein Hämatologe und auch mein Frauenarzt, dass ich theoretisch schon natürlich gebären könne, aber ich solle mich in diesem Fall gut mit der Wahl der Klinik auseinander setzen, alternativ an einen Kaiserschnitt denken und in jedem Fall dort mein Kind zur Welt bringen, wo es eine direkte Anbindung zur Kinderklinik gibt.

Meine Schwangerschaft war geprägt von vielen Ängsten, weil ich jeden Tag um das Leben meiner Ungeborenen bangte. Ich hatte einfach zu viele Kinder verloren. Mit all meinen Ärzten berieten wir uns schließlich und beschlossen: Auch meine zweite Tochter wird per Kaiserschnitt zur Welt kommen.

Ich wollte einfach, dass sie kommt. Ich wollte, dass sie es schafft und nach den schweren Jahren bei uns bleiben kann. Ich hatte Angst, dass es wieder zu einem Notkaiserschnitt kommt. Ich hatte Sorge, dass wegen meiner Behandlungen in Bezug auf den Kinderwunsch irgendetwas nicht in Ordnung sein könnte.

Der Kaiserschnitt in der 40. Schwangerschaftswoche hat mich von dieser Angst erlöst. Dieses Mal konnte ich dabei sein und meine Kleine direkt in den Arm nehmen. Warm und nackt auf meine Brust legen und die ganze Zeit bei mir behalten. Es war vermutlich nicht wie bei einer natürlichen Geburt, aber ich hatte sie so, wie sie zur Welt kam und durfte mit ihr kuscheln. 

Ich möchte keineswegs, dass hier der Eindruck entsteht, dass ich mich für Kaiserschnitte stark mache. Ich möchte mich lediglich dafür stark machen, dass wir achtsamer mit unseren Äußerungen umgehen. Dass wir vielleicht bedenken, das es nicht jeder Frau möglich ist, ein Kind natürlich zur Welt zu bringen. Dass wir versuchen, mehr Perspektiven in unserer Meinung zuzulassen. Und an die denken, die gerne eine natürliche Geburt gehabt hätten.

Kürzlich entschied sich eine meiner Freundinnen für einen Kaiserschnitt. Ich habe immer versucht, sie in ihrer Entscheidung zu bestärken. Es gibt genügend Leute um einen herum, die einem so eine Entscheidung nämlich schlecht reden. Es gibt aber eben manchmal gute Gründe, meist medizinisch. 

Wichtig ist doch, dass wir hinhören und verstehen. Nicht die Schublade öffnen – Kaiserschnitt rein, so eine Mutter ist das also – Schublade zu.

Ich habe zwei Kinder und hatte keine natürliche Geburt. Mir fehlt etwas. Es ist kein „vermissen“ im klassischen Sinne, es ist einfach so, dass ich diese Erfahrung gerne gemacht hätte. Und genau das fehlt mir heute. 

Aber meine Kinder sind auf der Welt. Ich habe sie von Anfang an beschützt und behütet. Und das ist doch das Allerwichtigste.

 

 

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4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Ich habe heute noch einer Freundin gesagt, sei froh, dass es die Möglichkeit eines sicheren Kaiserschnittes gibt. Sie ist grad zur Einleitung, weil sie übertragen hat. Sie wünscht sich eine natürliche Geburt, aber man muss ja auf alles gefasst sein. Ich wünsche es mir selbst nicht, strebe wieder eine Hausgeburt an und dennoch bin ich froh, dass die Geburtsthilfe, abgesehen von Engpässen, schlicht weg auf einem hohen Niveau arbeitet. Wer Andere verurteilt, scheint auch sonst im Leben nicht umsichtig.

    Antworten
  • Ich habe während der Schwangerschaft nie einen Gedanken daran verschwendet, dass es einen Kaiserschnitt bei mir geben könnte. Nach tagelangen Einleitungsversuchen wollte ich schließlich selbst den Kaiserschnitt und bin zufrieden mit meiner Entscheidung. Es war eine schöne Geburt, ich habe nichts vermisst. Im Nachhinein konnte kein Grund für den vorherigen Geburtsstillstand gefunden werden. Ja, ich bin froh, dass es diese Möglichkeit zur Entbindung gibt und würde einen geplanten Kaiserschnitt allen tagelangen Einleitungsversuchen vorziehen, wenn ich mich nochmal entscheiden müsste.

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    • Danke für deine Geschichte. Das zeigt einfach nochmal ganz wunderbar, wie sich Dinge ändern können und dass wir alle immer mehrere Perspektiven in Betracht ziehen sollten, bevor geurteilt wird. Liebe Grüße von Leonie

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