Von Schüler*innen lernen

Heute habe ich Anika Osthoff im Gespräch. Anika und ich haben uns vor einem Jahr digital kennengelernt und im Herbst vergangenen Jahres ein E-Book für Lehrkräfte geschrieben: Schüler digital begleiten. Im Frühling 2021 ist es erschienen und wenn ihr daran Interesse habt, findet ihr weitere Infos unter diesem Link. Und auch, wenn wir die letzten Monate ganz eng zusammengearbeitet haben, hatte ich doch noch ein paar Fragen an sie:

Anika Osthoff

Liebe Anika, wir haben zusammen das E-Book „Schüler digital begleiten“ geschrieben. Für alle, die dich noch nicht kennen: Du bist Lehrerin an einem Gymnasium in NRW, Mama von zwei Kindern und trägst das Thema Digitalität in die Schule. Warum hältst du es für so wichtig, dass digitale Themen auch im schulischen Kontext bearbeitet werden?

Anika Osthoff: Das hat mehrere Gründe. Zum einen kann Unterricht nur dann wirklich Erfolg haben, wenn er die Schüler*innen in ihrer Lebenswelt abholt – und spätestens an der weiterführenden Schule spielt Digitalität im Alltag vieler Schüler*innen eine große Rolle.
Daraus ergeben sich viele Chancen für den Unterricht, denn Digitalität kann einen echten Mehrwert erzeugen, wenn sie zielführend eingesetzt wird, zum Beispiel in kollaborativen Schreibprozessen.
Wichtig ist mir aber auch, die private Mediennutzung in den schulischen Blick zu nehmen, was meines Erachtens derzeit noch zu wenig passiert – meistens erst, wenn es zu Problemen kommt – zum Beispiel durch Mobbingsituationen im Klassenchat. Hier sollten wir als Schule den Blick nicht verschließen und präventiv arbeiten.

„digital natives” ist ein irreführender Begriff

Welche Problemfelder aus dem Netz sind dir bei deinen Schüler*innen schon begegnet?

Immer wieder fällt mir auf, dass der Begriff der „digital natives“ doch recht irreführend ist. Ja, die heutige Generation ist mit Medien aufgewachsen und bedient digitale Endgeräte mit großer Selbstverständlichkeit. Von einem wirklichen Ausschöpfen all der Möglichkeiten, die diese bieten, und tatsächlicher  Medienkompetenz kann jedoch bei Vielen nicht die Rede sein. Ein wirkliches „Problem“, das auch immer wieder auftritt, ist das oben bereits erwähnte Mobbing. Entweder im Klassenchat oder auch über Tools wie „Tellonym“. Häufig spielt hier auch Instagram eine Rolle.

Als präventive Maßnahme haben wir den Notfallpass entwickelt, den man nicht nur in unserem E-Book, sondern auch kostenlos hier (Link) zum Download findet. Warum ist ein Notfallpass für Schüler*innen heute so wichtig?

Ich stelle immer wieder fest, dass viele Schüler*innen sich auf der einen Seite sehr unbegleitet im Netz bewegen und auf der anderen Seite gar nicht wissen, wo sie Hilfe bekommen können, wenn mal etwas schiefgeht. Viele Eltern (und Lehrkräfte) unterschätzen das noch. Und nicht immer trauen sich Kinder und Jugendliche zu ihren Eltern zu gehen, wenn etwas schiefgegangen ist. Das liegt manchmal daran, dass gerade das Thema Cybergrooming sehr schambehaftet ist, manchmal aber auch daran, dass sie eventuell etwas gemacht haben, was sie eigentlich nicht durften. Es ist aber extrem wichtig, dass Kinder und Jugendliche wissen, wo sie in solchen Situationen Hilfe finden können und hier spielt die Schule eine entscheidende Rolle, denn hier erreichen wir alle. Der Notfallpass ist hier ein wichtiges Instrument, das eigentlich in jedes Schüleretui gehört. Denn dort finden Schüler*innen Ansprechpartner*innen, die ihnen auf jeden Fall weiterhelfen können.

Auch Eltern WhatsApp-Gruppen sind Klassenchats nicht unähnlich

Wo siehst du die größten Unterschiede zwischen der digitalen Lebenswelt von Erwachsenen und der digitalen Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen?

Das ist schwer zu sagen. Mittlerweile nutzen auch viele Erwachsene digitale Medien in vielen Punkten so wie Kinder und Jugendliche. Zur Kommunikation, Zerstreuung oder auch zum Spielen. Auch Eltern WhatsApp-Gruppen sind Klassenchats nicht unähnlich. Dennoch gibt es in der digitalen Welt der Kinder natürlich Dinge, die Erwachsenen eher seltener begegnen – zum Beispiel Kettenbriefe. Deshalb ist es für Eltern und Lehrkräfte immer wichtig „dran“ zu bleiben und sich auf dem Laufenden zu halten, glaube ich, auch wenn man selber schon sehr „digital affin“ ist.

Warum fällt es einigen Kolleg*innen schwer, sich mit dem Thema „Medienkompetenz“ auseinanderzusetzen?

Die Hemmschwelle ist da häufig groß, weil es einigen Kolleg*innen sehr weit weg erscheint und sie das Gefühl haben, dass ihnen in der digitalen Welt alles fremd ist und die Schüler*innen ihnen weit voraus sind. Als Lehrkraft sind wir es ja gewohnt, dass wir den Wissensvorsprung haben. Da müssen wir einfach lernen, dass wir im digitalen Bereich auch mal von unseren Schüler*innen lernen dürfen. Das ist aber in der Regel kein Autoritätsverlust, sondern eine Bereicherung für beide Seiten und auch für die Lehrkraft-Schüler*in-Beziehung.

Hältst du es für notwendig, dass Medienkompetenz perspektivisch zum verpflichtenden Schulfach wird?

Schön wäre das schon, wenn wir – zumindest punktuell – Medienkompetenz als Fach hätten. Dann könnte man viele Themen noch ausführlicher und kreativer behandeln als in Workshops oder Vertretungsstunden. Vielleicht gibt es ja in NRW – da kommen wir beide ja her – perspektivisch da eine klitzekleine Chance, da wir je mitten in der Umstellung von G8 auf G9 sind. Das würde ich für sehr sinnvoll halten.

Die Corona-Pandemie hat nochmal deutlich gezeigt, dass da ein Umdenken stattfinden muss.

Wir haben in diesem Jahr Bundestagswahl in Deutschland – bei der auch viele Schüler*innen zum ersten Mal wählen dürfen, sofern sie das 18. Lebensjahr erreicht haben, was bei den Abschlussjahrgängen ja durchaus relevant ist. Spielt das Thema Fake News im Politik-Unterricht eine Rolle?

Theoretisch sind Themen wie Nachrichten und die Beurteilung seriöser Quellen schon in den Lehrplänen verschiedener Fächer verankert, z. B. im Deutsch- oder Politik-Unterricht. Ich stelle aber oft fest, dass gerade das Thema „Fake News“ noch recht stiefmütterlich behandelt wird. Die Corona-Pandemie hat nochmal deutlich gezeigt, dass da ein Umdenken stattfinden muss.

Ich habe neulich ein Gespräch zweier Teenager mitbekommen, da sagte ein Mädchen zum anderen: „Doch, doch, die Meldung XY stimmt, das steht bei Promiflash!“ Promiflash ist eine Unterhaltungsplattform aber keineswegs ein seriöses Medium. Wie schafft man es, Schüler*innen seriöse Quellen nahezulegen, die sie dann alltäglich nutzen?

Indem man das immer wieder thematisiert und nicht einfach sagt: „Recherchiert mal…“ oder noch schlimmer: „googelt mal…“. Sondern darüber spricht, welche Suchmaschinen man verwenden kann, wenn man z. B. Informationen für ein Referat sucht. Da geht es ja los. Und dann guckt man sich gemeinsam verschiedene Quellen an und überlegt, woran man seriöse Quellen erkennen kann und dass man Informationen am besten immer noch einmal „gegencheckt“ und eine Quelle vielleicht nicht ausreicht. Wenn Schüler*innen das von Anfang lernen, werden sie immer besser im selbstständigen Einschätzen verschiedener Internetressourcen.

Was empfiehlst du Eltern, die digital mehr Durchblick haben möchten?

Deine Kurse. Es gibt nichts Besseres auf dem Markt. Das meine ich ganz ernst. Ansonsten gibt es natürlich auch das Internet-ABC, Handysektor, Klicksafe und diverse Instagram Profile, wie z. B. auch das von Thomas-Gabriel Rüdiger, bei denen Eltern sich gut informieren können. Auch gibt es mittlerweile sehr gute Podcast Folgen, z. B. von Hashtag Medienwissen, die einem einen guten Überblick geben.

Und was empfiehlst du deinen Kolleg*innen?

Offene Gespräche auf Augenhöhe mit ihren Schüler*innen. Da kann man eine Menge lernen. Mittlerweile gibt es auch gute Möglichkeiten, sich fortzubilden. Fobizz macht da herausragend gute Arbeit. Und natürlich unser Buch „Schüler digital begleiten“ – da steht eigentlich alles drin, was man wissen muss.

Welche Rückmeldungen zu unserem E-Book „Schüler digital begleiten“ hast du bekommen?

Bisher wirklich nur positive. Lehrkräfte fühlen sich sehr umfassend informiert und auch Kolleg*innen, die digital echt fit sind, sagen, dass sie noch einige neue Dinge gelernt haben und gute, konkrete Tipps für die unterrichtliche Umsetzung bekommen. Das freut mich sehr.

Ich danke dir sehr für deine Zeit!

Falls ihr mehr aus dem Schulalltag von Anika erfahren möchtet: Anika Osthoff findet ihr unter dem Instagram-Account @lehrermutterleben.

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